Dienstag, 7. Januar 2020

04 Sidi Ifni nach Foum-el-Hasam (27.12.2019 bis 06.01.2020)

Am 27. Dezember verlassen wir schweren Herzens die Atlantikküste. Wir könnten noch ewig hier bleiben, aber andererseits lockt jetzt die Wüste, die für uns doch ein Highlight unserer Reise darstellt. Recht zügig geht es Richtung Osten und schon bald wird die Vegetation spärlicher, die Kakteenfelder sind längst hinter uns gelassen und wir erreichen Guelmim, die letzte größere Stadt vor der Oasenroute. Egal wie groß oder schön ein Ort ist, das Stadttor ist immer sehr beeindruckend:

Guelmim war lange Zeit eine Grenzstadt zum Süden und auch heute leben hier weit mehr dunkelhäutige Sahraouis als Marokkaner. Früher das wichtigste Handelszentrum an der Karawanenstraße von Marrakesch nach Schwarzafrika mit dem größten Kamelmarkt in ganz Afrika, ist Guelmim heute nur noch eine typische Wüstenstadt mit ein wenig Endzeitcharakter:


Die einzigen Kamele, die wir hier antreffen, sind Horden von Overlandern, die sich im Supermarkt Marjane am Ortsausgang mit Proviant eindecken. Ab hier gibt es für längere Zeit keine guten Einkaufsmöglichkeiten mehr. Marjane ist übrigens neben Carrefour die größte Supermarktkette in Marokko. Hier bekommt man alles, was das Camperherz begehrt - außer natürlich Alkohol.


Auch der Tank wird nochmal bis zum Rand gefüllt, schließlich wollen wir in Assa nach Süden abdrehen und von dort die Westsahara erkunden. Dies bedeutet, über viele Hundert Kilometer keine Versorgungsmöglichkeit.


Ab Guelmim wird es jetzt richtig einsam. Nur noch Sand, Sand, Sand und kerzengerade Straßen. 


Wir befinden uns jetzt auf der Oasenroute, die nahe an der algerischen Grenze nach Osten führt. Und damit man nicht beim Fahren einschläft, ist immer mal wieder eine Kurve eingebaut:


Kurz vor Assa zweigen wir von der Hauptstraße ab. Durch holprige Steinwüste erreichen wir unseren ersten Stellplatz mitten in der Wüste:


Hier gibt es wirklich nichts, nur Sand und ein paar knorrige Bäume:


Die Landschaft ist weitgehend karg und öde, aber die Bergformationen können je nach Licht beeindruckend schön sein. Bei den unterschiedlichen Gesteinsformationen müsste jedem Geologen das Herz aufgehen. Bei einer Wanderung auf einen kleinen Berg kommt es uns vor, als hätten wir einen Riesen gerade beim Holzhacken gestört:


Wer uns kennt, weiß, wie sehr wir beide das Leben in der Wüste lieben. Und oft werden wir gefragt, was uns denn da so gut gefalle? Ja, manchmal fragen wir uns das auch. Tagsüber Hitze, ständiger Wind, Sand in allen Körperöffnungen und Autoritzen und lästige Fliegen ohne Ende. Und dann die kalten Nächte.... aber für all das werden wir entschädigt, wenn der Abend kommt: die Fliegen schlafen, der Wind schläft ein und gerade jetzt bei Neumond ist der Sternenhimmel unbeschreiblich. So etwas haben wir noch nie gesehen, vielleicht in Chile... Die Abendsonne sowie der Sonnenaufgang tauchen die Wüste in warmes Licht und spätestens jetzt wird uns klar, warum wir die Wüste so lieben.
Ab und zu bekommen wir Besuch von Nomaden, die mit ihrer Ziegenherde vorbeiziehen...


Sie freuen sich über einen Becher Tee bei uns, während die Ziegen auch die letzten Blättchen aus den stacheligen Büschen knabbern. Leider ist die Unterhaltung mit den Beduinen mühsam bis unmöglich. Französisch spricht hier kaum jemand, selbst Arabisch wird sehr selten gesprochen. Wir sind schließlich Berber, keine Araber, hören wir immer. Sie nennen sich Amazirin, die Freien, und sprechen Taschelhit, eine der drei Berbersprachen, die im Hohen Atlas und in der Sahara gesprochen wird.
Aber mit Händen und Füßen können wir uns doch verständigen, und das Fuchteln mit den Händen vertreibt auch gleich noch die Fliegen. Und wenn wir uns nicht gerade auf Taschelhit "unterhalten", hilft nur noch eins, um am Abend die Millionen von Fliegen aus unserem Auto zu vertreiben:
Frühsport - Abendsport - eigentlich Immersport:


Jetzt weiß ich wenigstens, wo mein Tennisarm her kommt...

Nach zwei Tagen brechen wir wieder auf. In Assa kommen wir in die erste große Polizeikontrolle. Zum ersten Mal benötigen wir unser "Fiche", ein Formular mit allen Angaben zu uns, unseren Pässen, unserem Auto... Wir haben es zu Hause schon ausgefüllt und 10 Mal ausgedruckt, dies erspart viel Zeit und Ausfüllerei an den Polizeikontrollen. Die Polizisten sind sehr nett und wir unterhalten uns länger über Land und Leute und - natürlich - über den FC Bayern und die Allianz Arena. Leider jedoch klären sie uns auf, dass wir von hier aus nicht nach Süden Richtung Westsahara fahren dürfen. Alles militärisches Sperrgebiet! Der einzige Weg in die Westsahara ist die Küstenstraße, und alles wieder zurückzufahren, darauf haben wir keine Lust. Wir streichen also die Westsahara und setzen unseren Weg weiter an der Oasenstraße Richtung Osten fort. Kilometersteine zeigen uns immer wieder, wie weit es noch ist bzw. wie weit wir schon vom Meer weg sind:



Auch werden wir immer wieder auf die Gefahr wilder Kamele hingewiesen, die ganz unbekümmert die Straße überqueren:



Und tatsächlich lauern die höckrigen Vierbeiner nicht selten am Straßenrand:



Unser nächster Übernachtungsplatz wartet schon auf uns, wieder mitten in der Wüste, diesmal mit sandiger Zufahrt:



Hier finden uns nicht mal mehr die Beduinen, nur ein paar Esel kommen und denken, wir sind welche von ihnen...



Wir erreichen Foum-el-Hasam, eine kleine "Karawanenstation" auf dem Weg von West nach Ost.


Es gibt hier zwar keine Tankstelle und keinen Supermarkt, aber in den kleinen Läden bekommen wir alles, was wir für unsere geplante Silvesterfeier benötigen.


Nur wenige Kilometer hinter Foum-el-Hasam biegen wir hinter diesem vielsagenden Schild in die Wüste ein:


Nur drei Kilometer in die Wüste Richtung Algerien (die Grenze ist nur 34 Kilometer entfernt) und wir finden eine wunderschöne verlassene Oase.


Hier lassen wir uns häuslich nieder und werden letztendlich 9 Nächte hier verbringen.


Silvester verläuft völlig unspektakulär. Madame ist krank und hütet das Bett - Bett wäre zu schön, leider ist es nur die unbequeme Bullirückbank, umschwirrt von Myriaden von Fliegen. Krankenpfleger Thomas kocht Tee und Süppchen, und so findet hier die wohl kleinste Silvesterparty Marokkos statt. 
Nach ein paar Tagen gehen unsere Wasservorräte zu Ende. Hier in der Oase gibt es sogar ein Wasserloch:


Aber so ganz trauen wir dem Wasser hier nicht. Auf seinen Erkundungsgängen und -fahrten mit dem Fahrrad entdeckt Thomas dann diesen Brunnen in drei Kilometern Entfernung. Hier schöpft man mit einem alten Autoreifen Wasser. Wohl kein Trinkwasser, aber für die tägliche Hygiene und zum Abwaschen gut genug:


Inzwischen leben wir wie die Beduinen, einfach so in den Tag hinein, und obwohl inzwischen alle wieder gesund sind, wollen wir einfach noch nicht weiter. Zu schön ist es hier, und an unsere beiden Freunde haben wir uns schon so gewöhnt. Die beiden kommen täglich zu uns - scheinbar schmecken die Bäume rund um unser Auto am allerbesten. Abends, wenn es wieder so absolut still ist, hört man sie im Dunkeln noch Kauen und Schmatzen.


Doch irgendwann gehen auch unsere Vorräte zu Ende und wir machen uns auf "in die Stadt" - nach Foum-el-Hasam. Bei der Feuerwehr erkundigen wir uns, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, unsere Wasserkanister aufzufüllen. Die Plastikkanister (5 Liter für 1 Euro) sind zwar günstig, aber wir wollen nicht noch mehr zu der Plastikflut beitragen. Hassan, der überaus freundliche wachhabende Feuerwehrmann, erklärt uns, es gebe irgendwo eine Quelle mit Trinkwasser. Und bevor er uns lange den Weg erklärt, sitzt er schon - schwupp - in unserem Auto, um uns, nur bewaffnet mit seinen Filzpantoffeln, zur Quelle zu führen. Ob er denn einfach so seinen Posten verlassen dürfte, fragen wir ihn. Kull schi mesyan, meint er lachend, kein Problem, hier brennt es höchstens zwei Mal im Jahr... und so verbringen wir einen netten Vormittag mit Hassan, der uns alle nützlichen Dinge im Ort zeigt und erklärt.


Als wir ihn zu seinem Feuerwehrhaus zurück bringen, werden wir noch von seinen Kollegen zum Tee eingeladen und man ist uns behilflich, unser Handyguthaben erfolgreich aufzuladen - nach mehreren Fehlversuchen unsererseits. Einmal mehr sind wir überwältigt von der Liebenswürdigkeit und der Gastfreundschaft der Menschen hier.
Am Ende des Tages gibt es noch einen Friseurbesuch. Ein Schnitt mit Rasur und allem Schnickschnack für weniger als 2 Euro? Wir sind skeptisch, ob das nicht der Preis für einen Kamelschnitt ist? Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen...


Es ist schon spät am Tag und so kehren wir zu "unserer" Oase zurück, wo wir glücklich noch ein paar Tage verbringen. Langweilig ist es uns noch keine Sekunde geworden. Wir wandern viel, lesen, und genießen einfach dieses simple Life. 


Für ein ungestörtes Lesevergnügen ohne lästige Fliegen hilft nur die Tuareg-Methode:


Morgen will die Karawane nun endgültig weiterziehen, nämlich hoch auf den Antiatlas nach Tafraoute. Der Wetterbericht schreckt uns zwar ein wenig ab mit nächtlichen Temperaturen um die Null Grad, aber auch hier sind die Nächte bei konstanten 6 Grad nicht gerade warm.
Ihr seht, uns geht es gut und wir genießen das Leben. Sorgen macht uns nur der Bulli, der ein wenig schwächelt: die Schiebetür lässt sich von innen nicht mehr öffnen, was gerade, wenn man nachts mal raus muss, einer komplizierten Choreografie bedarf. Außerdem holpern die Reifen und ein Klopfgeräusch am Autoboden sind hoffentlich nur die Steine, die wir auf Grund eines gebrochenen Plastikteils am Unterboden aufgesammelt haben. Sobald wir einen größeren Ort erreichen, lassen wir das Auto mal durchchecken.

Unsere Route bis jetzt in Marokko (1.650 km) - Gesamt: 4.680 km



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