In M'Hamid an unserem einsamen Stellplatz in der Wüste bleiben wir am Ende eine ganze Woche. Zu schön ist es unter unserer einzelnen Sahara-Akazie:
Eigentlich wollten wir schon früher weiter, aber in Ouarzazate, unserem nächsten Ziel, ist Schnee angekündigt, und den wollen wir noch abwarten. Es gibt aber auch schlechtere Orte zum Ausharren, wir genießen die Tage mit langen Spaziergängen durch die Sanddünen.
Das Tiefdruckgebiet erreicht uns aber auch in der Wüste in Form eines handfesten Sandsturms. Bereits am Morgen ist die Sicht schlecht, und der Sturm kündigt sich an :
Innerhalb kürzester Zeit ist die Luft voller Sand und die Sicht gleich null. Wir verbringen den ganzen Nachmittag im Auto und sehen verzweifelt zu, wie der feine Sand durch wirklich jede Ritze kommt und das ganze Auto innen mit einer leichten Sandschicht überzieht.
Aber der wahre Horror beginnt erst jetzt: schon letzte Nacht hat mich irgendwas im Gesicht gestreichelt (obwohl mein liebevoller Ehemann ja oben schläft) und Thomas hat Raschel- und Kratzgeräusche gehört. Und beim Frühstück sehen wir dann unseren Mitbewohner: eine Maus hat sich bei uns eingenistet. Schlimmer geht's nicht. Unsere Vorräte sind alle angeknabbert, und die Hinterlassenschaften finden sich an allen Orten. Jetzt gibt's nur eins: das Auto komplett zerlegen, alles, wirklich alles, raus. Und das, wo noch immer so viel Sand in der Luft liegt.
Auch nach fünf Stunden sind wir erfolglos. Klar - Mäuse sind nachtaktiv. Und mit Einbruch der Dunkelheit geht es wieder los. Rascheln und Schritte hinter der Küchenverkleidung und in allen Schränken. Und nach einer weiteren Horrornacht mit der Maus im Bett und im Gesicht ist klar: da hilft nur die brutale Methode. In einem kleinen Garnisonsort finden wir zwar keine Lebendfalle, aber in unserer Not erstehen wir drei konventionelle Mausefallen. Bereits am Nachmittag desselben Tages kann Mäuschen dem leckeren Nutella-Brot nicht widerstehen. Alhamdulillah!! Gott sei Dank!!
... was aber nicht heißt, dass wir wieder ruhig schlafen können. Ich höre noch heute - eine Woche später - irgendwelche Raschelgeräusche. Werde wohl langsam paranoid...
Weiter geht's endlich nach Norden, durch das Draatal, an diesem malerischen Fluss entlang. Das Draatal ist eines der schönsten Flusstäler des Landes, eine wunderschöne Oase, gesäumt von bizarren Felsformationen , endlosen Dattelpalmenhainen und großartigen Kasbahs.
Viele der Kasbahs, dieser alten aus Lehm und Stroh erbauten Burgen, sind verfallen. Auch wenn es hier nicht viel regnet, so ist das bröselige Baumaterial alles andere als widerstandsfähig.
Manche Kasbahs allerdings sind schön restauriert und werden zum Teil als Gästehäuser verwendet.
In Agdz quartieren wir uns auf der Farm von Corinne und Said ein und verbringen hier ein paar unvergessliche Tage. Die beiden sind so gastfreundlich, wir dürfen ihr ganzes Haus besuchen und bewohnen und endlich mal sehen, wie man hier richtig lebt. Und wir dürfen ihre Waschmaschine benutzen, was nach vier staubigen Wochen in der Wüste dringend notwendig ist.
In Agdz bekommt man wirklich alles, es gibt unzählige kleine Geschäfte und Restaurants, aber woran man nicht vorbei kommt, sind die vielen Dattelstände. Klar, bei diesen Millionen von Dattelpalmen im Draatal bekommt man sie hier in bester Qualität. Wir decken uns natürlich auch ein - lecker, lecker...
Bei Corinne und Said fühlen wir uns wie zu Hause. Noch ein Tag und noch ein Tag... aber irgendwann heißt es Abschied nehmen und ein kleines Tränchen verdrücken. Vielen Dank für alles - merci Corinne, shukran Said! Wir werden ganz sicher mal zurück kommen.
Auf unserer Weiterfahrt überqueren wir den 1.660 m hohen Tizi-n-Tinififft. Genau auf der Passhöhe ein Stau. Bauarbeiten. Kein Problem, so die Arbeiter, in 30 Minuten geht's weiter...
30 marokkanische Minuten natürlich... nach 2 Stunden setzt sich die Karawane in Bewegung und wir erreichen nach einer weiteren Stunde die schöne Stadt Ouarzazate mit den schneebedeckten Gipfeln des Hohen Atlas im Hintergrund. Hier waren wir bereits 2003, als wir in einer 14-tägigen Trekkingtour den Hohen Atlas überquert hatten. Aber viel hat sich verändert, alles modern und schön gepflegt.
Ouarzazate ist nicht nur für Touristen interessant, sondern auch eine moderne Verwaltungsstadt und ein Handelszentrum. Und auch die Filmmetropole ganz Nordafrikas. Inzwischen deutlich bekannter als Kairo. Zwei Filmstudios haben sich hier angesiedelt: die CLA Studios...
... und die noch bedeutenderen Atlas Film Studios. Hier wurden schon jede Menge Hollywoodproduktionen gedreht, eigentlich alles, was eine orientalische Altstadt oder einen wüstenartigen Hintergrund braucht.
Ouarzazate gefällt uns ausgesprochen gut. Man kann endlich mal wieder durch schöne Souks schlendern...
... oder sich mal wieder Kultur reinziehen, wie hier die Kasbah Taouirt:
Aber was uns am allermeisten fasziniert, ist der erst kürzlich eröffnete Carrefour, für uns der erste richtige Supermarkt seit 5 Wochen. Sogar eine Alkholabteilung gibt es hier. Das Leiden hat ein Ende...
Es ist immer wieder schön zu erfahren, über welche sonst normalen Selbstverständlichkeiten man sich freuen kann!
Eigentlich wollten wir gestern aufbrechen, über die Straße der Kasbahs zur Dades- und zur Todra-Schlucht, aber...
Thomas wollte ja schon immer wissen, was härter ist: sein Kopf oder die Bulli-Rückklappe. Und ja, leider hat die Klappe gewonnen. Das Ergebnis: ein Loch im Kopf! Ins Krankenhaus wollen wir nicht unbedingt, wir versuchen es erst mal mit einer Apotheke. Und natürlich ist heute Sonntag und alle Apotheken geschlossen. Der Taxifahrer bringt uns zur Notapotheke am anderen Ende der Stadt und beginnt gleich selbst mit der Erstversorgung: Haare ab! Die Schere dazu besorgt er in der Nachbarschaft (wozu sollte es auch eine Schere in einer Apotheke geben!?!)
Ibrahim ist nicht nur ein guter Taxifahrer, sondern auch ein ausgezeichneter Ersthelfer. Die weitere Behandlung übernimmt aber zum Glück die Apothekerin...
Ja, und so sitzen wir weiterhin in Ouarzazate und warten, bis der Kopf wieder zusammenwächst... Das Warten aber macht Spaß, der Ort gefällt uns, das Wetter ist herrlich (bis auf die Minusgrade am Morgen) und wir haben wieder viele nette Leute kennen gelernt...
Unsere Route bis jetzt in Marokko (2.770 km) - Gesamt: 5.800 km