Heute ist Montag, der 23. März. Seit 6 Tagen sind wir wieder zu Hause in München, 6 Wochen früher als geplant. In einem Corona-gebeutelten Deutschland, das nicht wiederzuerkennen ist.
Dabei hatten wir noch eine so schöne Zeit in Andalusien....
Wir verbringen herrliche Tage auf unserer Almwiese über Tarifa:
Hier warten wir geduldig das Ende des langen Wochenendes ab, bis alle Faschingsfeierlichkeiten und der andalusische Nationalfeiertag vorbei sind. Erst am 1. März reisen wir weiter, langsam an der Costa de la Luz entlang, Richtung Portugal. Den ersten Stopp machen wir am Cabo de Trafalgar mit seinen herrlichen Stränden.
Trafalgar kennen wir noch aus dem Schulunterricht - die berühmte Seeschlacht von Trafalgar am 21.10.1805 mit Admiral Lord Nelson, bei der England die spanisch-französische Flotte vernichtete. Das mussten wir natürlich auch erst mal wieder nachlesen, der Schulunterricht ist doch schon soooo lange her. Um den berühmten Leuchtturm und das Kap gibt es lange, sandige, kaum verbaute Strände.
Unser erster spanischer Campingplatz in Barbate ist schön, aber die 23 Euro für eine Nacht tun richtig weh, nachdem wir in Marokko meistens 6 Euro bezahlt hatten. Zum Glück finden wir immer wieder schöne Plätze in der Wildnis, ruhig, kostenlos und menschenleer - was aus heutiger Sicht natürlich absolut gut und wichtig war.
Wir besuchen diesmal nur die Städte, die wir im letzten Jahr ausgelassen hatten. Deshalb lassen wir die malerischen weißen Orte, die Pueblos Blancos wie Vejer de la Frontera, einfach links liegen, und konzentrieren uns auf die uns noch unbekannten Orte wie zum Beispiel Cádiz. Cádiz liegt fast mitten im Meer, auf einer Landzunge, die man über mehrere schnurgerade Kilometer durch die Wohnblocks der Neustadt erreicht.
Die älteste Stadt Westeuropas - besiedelt seit 3000 Jahren - liegt auf drei Seiten vom Atlantik umgeben. Wir machen einen Rundgang um die Altstadt, entlang der Mauern aus dem 18. Jahrhundert, die fast rundum Stadt und Meer trennen.
Die Plaza San Juan de Dios, der Hauptplatz der Stadt, empfängt uns mit Palmen, Cafés und Restaurants, und jeder Menge Confettis in jeder Bodenritze. Denn Cádiz ist die Hochburg des spanischen Carnevals, und letzte Woche ging hier die Post ab.
Auf unserem Stadtspaziergang sehen wir jedoch nicht nur tolle Plätze und Gebäude, sondern auch uralte Vegetation, wie diesen viele hundert Jahre alten Baum - dagegen sieht die Dame im Vordergrund richtig jung aus:
Über eine moderne Brücke überqueren wir die Bucht von Cádiz und ereichen El Puerto de Santa María an der Mündung des Río Guadelete. Von hier startete Kolumbus seine zweite Amerikaexpedition.
Wie Cádiz hat auch El Puerto de Santa María eine nette kleine Altstadt mit wunderschönen Gebäuden. Nach drei Monaten Marokko lechzt man förmlich nach schönen Gebäuden und weiß deren Anblick noch mehr zu schätzen.
Der Ort ist vor allem für seine Sherry-Bodegas bekannt und jedes zweite Haus scheint eine Bodega zu sein, die Verkostungen anbietet - hicks...
Und so verwundert es auch nicht, dass Osborne hier seinen Hauptsitz hat. Osborne ist der älteste und renommierteste Spiritousen- und Weinerzeuger Spaniens, und sein berühmtes Markenzeichen, den Stier, kennt jeder Spanienreisende, denn der thront auf jedem Hügel im Land und neben jeder Autobahn.
Wir verkneifen uns die Weinprobe, denn wir sind mit dem Radl unterwegs... für die, die nach den vielen Wein- und Sherryproben nicht mehr ganz so gradeaus gehen können, gibt es Hilfe in Form von festen Selfiespots. Idiotensicher oder dekadent?
Auch Sevilla lassen wir links liegen - im letzten Jahr hatten wir es mehrfach besucht. In einem wunderschönen Hügelland im Hinterland mit Blick auf die Stadt verbringen wir das Wochenende. Inmitten von Ziegen, Schafen und Kuhfladen. Wie daheim. Wozu sind wir eigentlich bis jetzt 8.000 Kilometer gefahren?
Hier erreichen uns die ersten Nachrichten über den Coronavirus. Wir sind froh, hier zu sein, denn hier hört man noch nichts und die Welt scheint zumindest in Spanien noch in Ordnung zu sein.
Schon ganz lange freuen wir uns auf den Nationalpark Coto de Donana, ein ausgedehntes Areal westlich der Guadalquivirmündung. Hier, an der Playa Donana, haben wir letztes Jahr zweimal eine Woche verbracht, und hier wollen wir natürlich wieder hin. Der Strand ist einfach herrlich - breit, schier unendlich und menschenleer. Gesäumt von einer mit Pinien bewachsenen Dünenkette.
Im Juni 2017 zerstörte ein verheerender Waldbrand große Teile des Nationalparks und noch heute, fast 3 Jahre später, warnen Schilder vor herabfallenden verbrannten Zweigen:
Der Campingplatz Donana Playa, mit einer Kapazität von 6.000 Personen, hatte im letzten Jahr gerade neu eröffnet, und wir waren fast alleine. Wir sind sehr gespannt, wie voll es diesmal wird. Umso mehr erstaunt sind wir, dass wir auch diesmal neben 5 anderen Wohnmobilen die einzigen Gäste sind. Wir genießen die vier Tage am menschenleeren Strand.
Vielleicht liegt es auch an der Nähe zum großen Militärstützpunkt und Übungsgelände gleich neben dem Platz. Man versichert uns, es wäre nur eine Übung, aber wenn Hubschrauber stundenlang über einem kreisen und Maschinengewehrsalven ins Meer abfeuern, deren Kugeln nur wenige Meter vom Strand das Meer aufspritzen lassen, dann ist Schluss mit lustig. "Cool - wie bei James Bond" meint Thomas. Ich tendiere eher zu "Die spinnen, die Römer - äh - die Spanier". Der Turm Torre del Oro war übrigens vorher schon eingefallen, das waren nicht die verrückten Soldaten...
Am Donnerstag, 12. März, ist für uns die Welt noch in Ordnung. Dann telefonieren wir mit Freunden und Familie in Deutschland und Italien und erfahren zum ersten Mal Details über die Ausbreitung des Coronavirus. Im Internet finden wir nahezu nichts über eine Ausbreitung in Spanien, und obwohl wir uns einerseits hier sicher fühlen, da wir ganz alleine sind und somit keine Ansteckungsgefahr besteht, beschließen wir, unsere Reise hier abzubrechen - 6 Wochen früher als geplant, denn eigentlich wollten wir erst Anfang Mai zurückkommen. Denn was wenn doch einer von uns krank wird - im Bulli ist sowas sehr ungemütlich. Was wenn die Grenzen gesperrt werden. Irgendwann läuft auch die Krankenversicherung aus. All diese Fragen gehen uns durch den Kopf, und am Freitag, dem 13. März, treten wir unsere Rückreise an. Einkaufen im Supermarkt ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich, die Supermärkte werden überrannt, und von einem Tag auf den anderen bricht die totale Panik aus. Auf der Autobahn zeigen die Anzeigetafeln nur noch Warnungen wie mejor quedate en casa - bleiben Sie besser zu Hause...
... oder Coronavirus - evite viajes, vermeiden Sie zu reisen.
Eine Mega-Völkerwanderung beginnt. Die Straßen sind tatsächlich menschenleer, aber Millionen von Wohnmobilen machen sich auf den Weg, denn ab Montag wird in Spanien eine Ausgangssperre verhängt. Im Radio gibt es keine Musik mehr, nur noch bedrohliche Durchsagen. Die Autobahngebühr darf nur noch mit Karte bezahlt werden. Am Freitag Abend um 22:00 h gehen bereits in Madrid alle Bewohner auf die Balkons und bedanken sich mit einem gemeinsamen Applaus bei Ärzten und Krankenpflegern, alle Autos hupen. Und das, wo noch gestern in Spanien alles so ruhig war. War es denn wirklich so ruhig? Am Sonntag nachmittag überqueren wir die spanische Grenze, gerade noch, bevor am Montag die Ausgangssperre verhängt wird. Ja, wir haben es geschafft, wir sind in Frankreich!!
Da erreicht uns die Nachricht, dass ab Montag 8:00 h die Grenzen von Deutschland geschlossen werden. Wir überlegen noch, die Nacht durchzufahren, aber die letzten drei Fahrtage waren sehr anstrengend, und auch heute waren es wieder 9 Stunden Fahrt. Wir fahren also am Montag durch Frankreich und stellen uns mit gefühlten Hunderttausend anderen brav in die Schlange am Grenzübergang Mülhausen.
Wir atmen erleichtert auf, als wir zum ersten Mal "Allemagne" lesen - bald haben wir es geschafft.
Viele Freunde fiebern mit uns mit, und unser WhatsApp steht nicht still. Los, weiter, haltet durch, gleich habt ihr es, wie geht's euch, etc. Vielen Dank euch lieben treuen Freunden, es ist in so einer Situation so schön, zu wissen, ihr denkt an uns!
Die Schlange an der Grenze ist kilometerlang. Es herrschen strenge Kontrollen, viele werden zurück geschickt, bei jedem wird Temperatur gemessen. Irgendwann bricht jedoch kollektive Anarchie aus, es wird gedrängelt, und aus einer Fahrspur werden vier. Plötzlich geht alles ganz schnell, Polizei und Krankenschwestern kapitulieren und winken nur noch durch. Schlimm. Aber gut für uns. Am Nachmittag erreichen wir deutschen Boden und verbringen die letzte Nacht mitten in einem Weinberg über dem kleinen Ort Feldberg. Von hier sehen wir die Flugzeuge in Basel starten und landen.
Die Welt ist hier so friedlich und wir genießen den letzten Abend und die letzte Nacht im Bulli ganz besonders. Vielleicht die letzte für längere Zeit.
Am Dienstag, 17.3., erreichen wir nach 5 langen und anstrengenden Fahrtagen und insgesamt 11.050 km München. Dann überschlagen sich die Ereignisse, die Welt ist eine andere geworden, und wir hoffen und beten, dass alles sich irgendwann wieder zum Guten wendet und wir irgendwann auch wieder verreisen können...
Unsere Route von Tarifa nach München (3.060 km) - Gesamte Reise: 11.050 km